Anzeigensonderveröffentlichung

Was bedeutet die Digitalisierung für das Entwerfen?

Was bedeutet die Digitalisierung für das Entwerfen?
#tcl_block--article-text

Phillip G. Bernstein lehrt und forscht an der Universität Yale zum Verhältnis von Architektur und Management. Er ist Architekt und Vice President bei der Software­ schmiede Autodesk. Wir sprachen am Rande der jähr­lichen „Autodesk University“ in Las Vegas mit ihm.

BAUMEISTER : Herr Bernstein, die Digitalisierung ist nicht nur in aller Munde. Jeder von uns merkt, wie sie unser Arbeiten verändert. Wie be­einflusst sie das Jobprofil des Architekten?
PHILLIP G. BERNSTEIN : Der Veränderungsprozess läuft schon seit Mitte der 1990er­ Jahre. Aus Architektensicht war Digitalisierung lange ein ambivalentes Phänomen. Wir merkten, wie sich die Dar­stellbarkeit von Architektur veränderte. Zugleich war un­ sere Profession aber zu klein, als dass eigens für sie ad­äquate Tools entwickelt wurden. Folglich begegneten wir der neuen digitalen Welt eher skeptisch.

B : Und das ist heute anders?
P B : Nicht unbedingt. Zwar sind die Tools heute da. Die Industrie setzt sich viel inten­siver mit Prozessen der Gestaltung auseinander. Das heißt aber nicht, dass der Wandel überall begrüßt wird.

B: Ist der Prozess der digitalen Transformation zu stoppen?
P B : Nein. Der Druck nimmt vielmehr zu. Die gesamte Bauindustrie spürt doch, wie die digitale Kultur sich auf sie auswirkt. Der Druck kommt auch von Endkundenseite. Heutige Bauherren sind teils schon mit Computerspielen aufgewachsen. Ich hatte als Architekturstudent nicht mal einen Computer. Es hilft nichts: Wir Architekten müs­sen unsere Methoden parallel zur digitalen Kultur weiter ent­wickeln. Dem Charme des hinskizzierten Entwurfs auf einem Stückchen Papier er­ liegt heute keiner mehr.

B: Aber er hat doch in der Tat Charme. Geht uns im Zuge der Digitalisierung etwas ver­loren?
P B: Glaube ich nicht – und zwar deshalb, weil die klassi­sche Zeichnung ja nicht ver­schwindet. Es kommen nur neue Tools hinzu. Wir hatten in Yale ein Symposium mit dem Titel „Is Drawing dead?“. Greg Lynn war da, Michael Graves auch. Am Ende waren sich alle einig: Hier wird eine falsche Binarität aufgemacht. Nur nimmt die Verantwortung des Architekten zu. Je mehr Werkzeuge verfügbar sind, desto wichtiger ist die Ent­scheidung, in jeder Lage das richtige auszuwählen.

B : Lernen Ihre Studierenden denn noch Architekturzeich­nung?
P B : Natürlich. Wir schicken sie immer noch sechs Wo­chen mit Skizzenbüchern nach Rom. Sie lernen mit Wasserfarbe zeichnen.

B: Ein großes Thema ist heute die sogenannte „artifizielle Intelligenz“ (AI). Wirkt sich diese auf die Arbeit von Ar­ chitekten aus?
P B : Das wird sie. Es geht nicht mehr nur darum, mit dem Computer zu entwerfen. Viel­ mehr wird der Planungspro­zess kontinuierlich durch Algorithmen unterstützt. Im Hintergrund laufen ständig Algorithmen ab, die konkrete Entwurfsentscheidungen un­terstützen.

B : Ein Beispiel?
P B: Etwa mit Wissen darüber, wie ähnliche Häuser anders­ wo genutzt werden. Ein Archi­tekt kann seine Arbeit aus Erfahrungsdaten speisen. Aber man muss die vorhan­denen Daten auch zu nutzen wissen. Das heißt: Der Entwer­fer braucht so etwas wie eine „Computational Strategy“.

B : Klingt sehr rationalistisch.
P B : Ist es auch. Es zählen nicht mehr nur Intuition und das eigene Urteil. „Vertraut mir einfach“ – das schlucken die Bauherren nicht mehr. Anders herum stärken aber die immer besseren Simulati­onen die Rolle des Gestalters.

#tcl_block--article-picture-text
© Daniel Mccullough
#tcl_block--article-text

B : Der Architekt als Datenma­nager statt genialischer Ent­werfer. Was geht da verloren?
P B: Ich sehe das garnicht als Opposition. Übrigens schon beim klassischen Design nicht. Computer alleine pro­duzieren keine Corbusier­ Stühle. Und in der Architektur gibt es darüber hinaus viele prosaische Teilaufgaben, bei denen Entlastung sehr willkommen ist. So bleibt am Ende mehr Zeit für die große Idee.

B : Angeblich lässt sich heute sogar algorithmisch vorher­ sagen, was eine gute Atmo­sphäre erzeugt…
P B : Mario Carpo, ein Kollege von mir in Yale, hat kürzlich ein Buch namens „The Alpha­ bet and the Algorithm“ ge­schrieben. Seine These: Wenn alles Wissen digital verfügbar ist, braucht man keine indivi­duellen Entwurfskenntnisse mehr. Ich sehe das nicht so. Natürlich ist Architektur nicht auf Algorithmen reduzierbar. Die Architekten dürfen und werden sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

B : Aber ob alle Architekten diesen Kampf annehmen? Die verführerische Leichtig­keit digitaler Tools kann
zur entwerferischen Faulheit verführen.
P B: Absolut. Ich sage auch nicht, dass wir keine schlech­ten digital entworfenen Gebäudesehen. Ich sehe sie massenhaft. Und zwar genau da, wo ich das digitale Tool allzu deutlich herauslesen kann. Ich könnte durch die Städte fahren und erkennen, mit welchem Programm be­ stimmte missratene Gebäude entworfen wurden.

B : Die Bereitschaft, sich auf digitale Tools einzulassen, scheint auch eine Frage der regionalen Kultur zu sein. In den USA scheint die Diskus­ sion auch über das ominöse BIM weniger kontrovers zu verlaufen als in Deutschland.
P B : Und das ist für Deutsch­ land meiner Meinung nach ein Problem. Der deutsche Markt hinkt acht bis zehn Jahre hinter den USA hinter­ her.

B : Warum ist das ein Problem?
P B : Die größten Immobilien­ märkte erwarten von den Architekten BIM­Kenntnisse. In den USA geht ohne BIM nichts, in China auch immer weniger. Und Großbritannien treibt die Entwicklung eben­ falls voran.

B : BIM­-Unkenntnis als Wett­bewerbsnachteil?
P B : International auf jeden Fall. Architekten müssen
um ihre Position in der Wert­schöpfungskette im Baukämpfen. US­-Architekten haben, allerdings aus unter­schiedlichen Gründen, oft eine machtvollere Position als etwa Deutsche oder Japaner.

#tcl_block--article-picture-text
© Marvin Meyer
#tcl_block--article-text

B : Welche Verantwortung haben die Universitäten?
P B : Als Wissenschaftler bin ich natürlich immer dafür, dass die Hochschulen sich öffnen. Andererseits neigen wir Architekten zu schnell dazu, unsere Verantwortung für Weiterbildung Richtung Academia abzuschieben. Wir müssen schon auch in den Büros weiterbilden.

B : Und in der Forschung?
P B : Da wird es tatsächlich interessant. Die Frage, wie Technologie unsere Professi­on verändert, wird zu wenig beleuchtet.

B : Was macht Yale?
P B : Auch zu wenig. Zwar haben wir viele Roboter und inzwischen 50 3D­Drucker. Aber damit erforschen wir nicht die Rolle des Archi­tekten.

B : Immerhin gibt es Ihre Professur…
P B : …mit der erreiche ich jedes Jahr 50 Architekturstu­denten – von 40.000 in den USA.

B : Sie haben gemeinsam mit Peggy Deamer ein Buch mit dem Titel „Building (in) the Future: Recasting Labor in Architecture“ geschrieben. Was ist das Ergebnis Ihres Recastings?
P B : Peggy ist eine klassische Architekturtheoretikerin. Uns ging es um die Frage: Kann Technologie Architekten am Ende mächtiger machen?

B : Kann sie?
P B : Ja. Aber die Überset­zung von Entwürfen in reale Gebäude wird komplizierter. Werden Architekten in dem Prozess aufgesogen? Oder
bleiben sie die Schöpfer kre­ativer Visionen? Die Antwort ist offen.

B : Wenn Ersteres, dann wäre damit die Zeit der Stararchi­tekten vorbei. Sie selbst haben als Architekt bei Cesar Pelli Erfahrungen mit dem Star­System gesammelt…
P B : Die Zeit der singularen Über­Persönlichkeit, die einsame Ideen umsetzt, ist definitiv vorbei. Pelli war einer der ersten Vertreter
des Superhelden­Modells. Wir machten nur, was Spaß bringt; alles andere haben wir delegiert. Das geht heute nicht mehr – und es hat auch mit Demografie zu tun. Meine Studenten interes­sieren sich nicht mehr für allzu heroische Gestalter­ Images. Kollaboration ist ihnen wichtiger.

#tcl_block--article-additional-info

Interview: Alexander Gutzmer

Interviewpartner: Phillip G. Bernstein lehrt und forscht an der Universität Yale zum Verhältnis von Architektur und Management. Er ist Architekt und Vice President bei der Software­ schmiede Autodesk.

#tcl_block--article-related-articles
Weitere Artikel, die sie interessieren könnten
Die Berufshaftpflicht-versicherung

Architekten haben ein umfassendes Leistungsspektrum zu erfüllen. Ob als Planer, Bauleiter, Sachverständiger oder Berater, dass Tätigkeitsfeld des Architekten hat sich in den letzten Jahren um ein Vielfaches vergrößert und wird immer komplexer. Mit den steigenden Anforderungen an diese Berufsgruppe nimmt aber auch deren Inanspruchnahme wegen fehlerhafter Architektenleistungen stetig zu.

Weiterlesen
Auf eine erfolgreiche Zukunft bauen

Mit untermStrich, dem Organisations- und Führungstool für Architekten und Ingenieure, behält man auch in außergewöhnlichen Zeiten immer den perfekten Überblick! Das System-Update auf X3.2 macht es möglich, dass Projekte noch einfacher und flexibler umgeplant werden können. Und die neue Akademie punktet als ultimatives Online-Fortbildungstool.

Weiterlesen
Smart vernetzt

Smart Home – noch immer ein durchaus polarisierendes Thema, bei Bauherren ebenso wie bei Planern. Während die einen von den neuen vernetzten Technologien begeistert sind – sowohl in der Nutzung als auch der Planung und Installation, sind andere noch skeptisch. Doch ein Fakt ist: Smart Home ist die Zukunft. In der Verbindung von Technologie und Design noch dazu in ihrer schönsten Form.

Weiterlesen