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Auf grünen Säulen gebaut

Auf grünen Säulen gebaut
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Seit März 2017 lehrt der Architekt Ferdinand Ludwig als Tenure-Track Assistant Professor an der TU München „Green Technologies in Landscape Architecture“. Zuvor leitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter das von ihm mitbegründete Forschungsgebiet Baubotanik an der Universität Stuttgart. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht – für Architekten ungewöhnlich – die Pflanze. Wir sprachen mit ihm über Vorteile und Herausforderungen des Baustoffs Pflanze in Zeiten des Klimawandels. 

BAUMEISTER : Wie kommt man als Architekt dazu, sich mit dem Baustoff Pflanze zu befassen?
FERDINAND LUDWIG : Ich bin im Architekturstudium schon sehr früh über historische Beispiele gestolpert, die sich die Pflanze als architektonisches Element zunutze machen. Später habe ich die Idee weiterverfolgt, diese nicht als vergangene geschichtliche Phänomene zu betrachten, sondern als großes Potenzial, auf Basis dieser historischen Vorbilder neue Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln. Die Pflanze auf diese Art als Baustoff aufzufassen, hatte bisher keine fundierte Grundlage. In meiner Doktorarbeit habe ich daher versucht, einen ersten Schritt zu gehen, um eine adäquate wissenschaftliche Grundlage zu bilden. Aber es ist noch ein weites, offenes Forschungsfeld …

B : Was verstehen Sie unter Green Technologies?
F L : Ich nehme das „Green“ sehr wörtlich. Ich versuche, die Pflanze mit all ihren Leistungen, Wirkungen und ihrer spezifischen Ästhetik in den Mittelpunkt des Forschens und Lehrens zu stellen. Der Begriff „Technologies“ beinhaltet für mich, neue Wege zu gehen und viel auszuprobieren.

B : Das heißt konkret?
F L : Das heißt, nicht nur empirisch quantifizierbare Fragestellungen zu beantworten, sondern neue Gestaltungsansätze zu finden und neue interdisziplinäre Konzepte zu entwickeln, mit denen Stadtplanung, Stadtentwicklung und pflanzliches Wachstum in Synergie gebracht werden können.

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2012 als Beitrag zur Landesgartenschau errichtet, war der Platanenkubus Nagold zu dem Zeitpunkt das größte baubotanische Bauwerk und gleichzeitig das erste, das konkret für einen urbanen Kontext geplant wurde. Foto: Ferdinando Iannone
Trotz seines auch technischen Charakters ist der Innenraum des Platanenkubus in Nagold ein beinahe meditativer Ort der Stille. Foto: Ferdinando Iannone
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B : Schwerpunkt Ihrer bisherigen Tätigkeit an der Uni Stuttgart war die Baubotanik. Welche Rolle spielt sie in Ihrer künftigen Lehre?
F L : Sie ist der Ausgangspunkt – technisch und methodisch. Ich werde das, was wir an der Universität Stuttgart entwickelt haben, weiterführen, weiterentwickeln und versuchen, die bisherigen Ergebnisse stärker zur Anwendung zu bringen, das heißt, sie in studentischen Entwürfen zu erproben. Wir haben sehr interdisziplinär gearbeitet. Von historischen, jahrhundertealten Beispielen haben wir den Bogen gespannt über naturwissenschaftliche Fragestellungen, die in ingenieurstechnische Lösungen übersetzt wurden. Für diese haben wir adäquate Entwurfsmethoden bis hin zur Umsetzung entwickelt. Diese Vorgehensweise möchte ich für künftige Themen der Architektur und Landschaftsarchitektur nutzen, die die Pflanze in den Mittelpunkt stellen.

B : Was genau ist Baubotanik?
F L : Der Begriff ist ein Stück weit selbsterklärend. Das Zusammenfügen von „Bau“ und „Botanik“ bedeutet die Verschmelzung eines konstruktiven und pflanzlichen Ansatzes. Diesen haben wir vor gut zehn Jahren am Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen an der Uni Stuttgart entwickelt. Dort haben wir auch das Forschungsgebiet der Baubotanik begründet.

B : Woher kommt die Idee?
F L : Der Ansatz ist an sich sehr alt. In Deutschland beispielsweise gibt es die Tradition der Tanzlinden. Wir beziehen unsere Arbeit aber auch sehr stark auf sogenannte „Lebende Brücken“ aus Ficuswurzeln im indischen Regenwald. Die Idee ist, Bäume als strukturelle Elemente der Architektur und Freiraumgestaltung aufzufassen und sie zu Konstruktionen zusammenzufügen, untereinander und mit technischen Bauteilen zu verbinden, sodass sie zu einem pflanzlich technischen Hybrid verwachsen und neue Formen und technische Funktionen ermöglichen.

B : Inwiefern bietet die Baubotanik konkrete Lösungen für die Folgen des Klimawandels?
F L : Im Klimopass-Programm des Landes Baden-Württemberg haben wir Vorschläge für Stuttgart erarbeitet, wie die Baubotanik zu einer Anpassung an den Klimawandel beitragen könnte. Dabei geht es um zwei Aspekte. Einerseits um die Hitze-, andererseits um die Starkregenproblematik. Bei der Hitze ist ganz klar: Wenn wir es schaffen, mehr Baumkronenvolumen in die Stadt zu bekommen, gibt es mehr Schatten und Verdunstungsleistung. Der klassische Einsatz von Bäumen aber scheitert in der dichten Stadt oft am Platz. Durch die Technik der Pflanzenaddition, die an die Architektur angepasst und mit ihr verschmolzen werden kann, können auf kleinerer Fläche größere klimatische Leistungen erzeugt werden.

B : Pflanzenaddition?
F L : Pflanzenaddition ist eine Technik, bei der wir nicht einen Baum in den Boden pflanzen und warten, bis er groß ist. Stattdessen bauen wir aus vielen jungen Bäumen eine große Struktur, indem wir nur wenige davon in den Boden pflanzen und die anderen in Pflanzgefäßen im Luftraum anordnen – vertikal über- und nebeneinander auf Gerüsten. Diese werden dann so miteinander verbunden, dass sie zu einem großen neuen Gesamtorganismus zusammenwachsen.

B : Das Wachstum in Pflanzgefäßen ist aber begrenzt …
F L : Das Interessante dabei ist, dass man Schritt für Schritt anfangen kann, diese Wurzelgefäße in der Luft abzutrennen, die Wurzeln abzuschneiden, weil dieses Baumkonstrukt beginnt, sich mehr und mehr autark mit Wasser und Nährstoffen aus dem Boden zu ernähren. So ergibt sich eine Kombination aus der Schnelligkeit, die man von der Bauwerksbegrünung kennt, und der langfristigen Robustheit eines Baums, der sich ohne viel gärtnerisches Zutun autark ernährt und entwickelt.

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„Wir müssen aufhören, in Schubladen zu denken.“
Wenn die Pflanzen dick und stabil genug geworden sind, sollen die temporären Stützen des Platanenkubus in Nagold entfernt werden.
Foto: Ferdinando Iannone
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B : Und welche Lösungen bieten Pflanzen bei Starkregenereignissen?
F L : Die Wasser- und Starkregenproblematik sehe ich immer in der Kombination mit technischen Lösungen. Pflanzen sind zwar sehr gut darin, Wasser zu verdunsten. Aber sie sind nicht in der Lage, die gigantischen Wassermengen heutiger Gewitterereignisse ohne technische Unterstützung abzupuffern. Technische Lösungen bieten eine Brücke zwischen der Starkregenproblematik und der Lösung, die Klimaproblematik durch Pflanzen in den Griff zu bekommen.

B : Wie kann so etwas konkret aussehen?
F L : Bei Starkregen zum Beispiel hilft eine Kombination aus einem begrünten Dach, das schon eine Spitze abfedert, plus einer clever gesteuerten Zisterne oder Rigole, die das Speichervolumen zur Verfügung stellt, wenn es gebraucht wird. Dieses Wasser wird dann nicht in den Kanal abgeleitet, sondern zielgerichtet der Vegetation der Baubotanik zur Verfügung gestellt, um es aktiv zur Kühlung der Stadt zu nutzen.

B : Ihre Arbeit trägt zur Verbesserung des Stadtklimas bei. Welche Möglichkeiten bieten Pflanzen, die andere Materialien in diesem Zusammenhang so nicht leisten?
F L : Die Verwendung von Pflanzen bringt neben dem gestalterischen Aspekt immer auch den zusätzlichen Mehrwert der Biodiversität, der sich mit rein technischen, grauen Lösungen so nie erreichen lässt.

B : Was zeichnet Pflanzen darüber hinaus aus?
F L : Ihre Multifunktionalität und ihre Schlüsselrolle im Ökosystem. Und sie haben einen emotionalen Wert. Wir stellen das immer wieder fest – zum Beispiel bei Wettbewerbsbeiträgen. Wenn ein Haus wächst, wird es emotional ganz anders aufgefasst als ein totes Objekt. Zuletzt haben wir das „mobile Grüne Zimmer“ entwickelt, das gerade in Stuttgart auf dem Rathausplatz steht. Die Leute strömen dorthin und interagieren damit. Das lässt sich so nur mit Pflanzen erreichen. Selten sieht man dagegen, dass jemand zu einer noch so schön verputzten Hauswand geht und versucht, sie anzufassen.

B : Im Umkehrschluss: Welche Einschränkungen oder besonderen Herausforderungen bringen Pflanzen als Baustoff mit sich?
F L : Prozessualität und eine gewisse Unbestimmbarkeit. Man kann eine Pflanze nicht mit einer CAD-Linie dazu zwingen, so zu wachsen wie man möchte. Man muss ihr Bedingungen zur Verfügung stellen, damit sie es tut. Aber wie sie es tut, kann man ungefähr genauso gut vorhersagen wie das Wetter. Den Landschaftsarchitekten ist das bewusst. Sie haben das so verinnerlicht, dass sie gar nicht mehr darüber reden. Architekten ist das nicht bewusst. Architekten definieren eigentlich alles. Die Werkplanung ist bis ins kleinste Detail ausformuliert. Mit Pflanzen aber muss man lernen, dass nicht immer alles planbar ist. Man sollte damit nicht nur zu leben lernen, sondern es als große Chance sehen.

B : Wie sieht die Stadt der Zukunft Ihrer Meinung nach aus?
F L : Wir müssen aufhören, in Schubladen zu denken. So wie die Stadt nicht getrennt von der Landschaft betrachtet werden kann, dürfen technische nicht von natürlichen Lösungen getrennt werden. Wir müssen versuchen, die Dinge ständig in Ergänzung und Synergie zu sehen. Das zeigt die Pflanzenaddition par excellence: Ich helfe dem Baum technisch auf die Sprünge, in einer an die urbanen Bedingungen angepassten Form. Und so wollen wir weiter vorgehen: neue Techniken und Konzepte entwickeln, die immer das Hybride aus Pflanze und Technik, aus Landschaft und Stadt, aus Haus und Baum in sich tragen. Mit der Baubotanik versuchen wir, bestimmte Sehgewohnheiten zu durchbrechen. Es kann sein, dass die Stadt ein bisschen Richtung Dschungel geht. Es kann aber auch sein, dass die Landschaft durch unsere Arbeit deutlich technischer wird.

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Interview: Tanja Gallenmüller

Interviewpartner: Prof. Dr. Ferdinand Ludwig ist Architekt und Wegbereiter der Baubotanik. Seine Projekte verknüpfen die Wachstumsprozesse von lebenden Pflanzen mit einem technischen Ansatz.

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